Das Projekt öffnet einen Raum, in dem Techniken und Tools rund um Social Media erprobt werden können, und soll damit vor allem Jugendliche erreichen, denen der Zugang zu medienpädagogischen Projekten sonst verwehrt bleibt. In den Berliner Sommerferien gibt es bisher zahlreiche Ferienangebote, die jedoch Jugendliche in Notunterkünften häufig nicht erreichen. Umso mehr freuen wir uns, dass wir für unser Projekt mit mehreren Unterkünfte für unbegleitete minderjährige Geflohene kooperieren dürfen. Auf dieser Seite werden drei Methoden skizziert, die unser Team für die Arbeit mit dieser Zielgruppe empfiehlt.
Methodenkurzbeschreibung
Diese Methode verbindet physisches und digitales Basteln, um Jugendlichen die Gestaltung von Stadtfuturismus zu ermöglichen. Zuerst bauen die Teilnehmer mit Recyclingmaterialien eine Miniatur-Utopie in einer Kiste. Dann wird ein 360°-Foto dieser Kreation gemacht und in die VR-Plattform www.cospaces.io übertragen. Dort erweitern die Jugendlichen ihre Modelle digital, fügen Figuren, Objekte, Texte und Audios hinzu. Die fertigen Utopien sind in VR-Brillen oder als 360°-Fotos auf Bildschirmen und Webseiten erlebbar.
Durchführungen, Adaptation und Wirkung
Diese Methode eignet sich hervorragend, um Jugendperspektiven effektvoll darzustellen und interaktive Erfahrungen zu schaffen. Sie ermöglicht es, Ergebnisse aus sozialen Beteiligungsprozessen festzuhalten und weiterzuverwenden. Zentral ist dabei die Entwicklung von Utopien, die kreativ Wünsche und Bedürfnisse für eine gemeinsame, sozial-ökologische Zukunft visualisieren und diskutieren.
Die Methode wurde von mediale pfade in folgenden Kontexten erfolgreich eingesetzt:
- Cities for Future – jugendliche Utopien für eine soziale Stadtgesellschaft
- Projektdokumentation und Beispiele hier!
- Bildung zum Archiv der Flucht – Workshops zum Thema: “Ankommen in Deutschland”
- Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht und Migration, Entwicklung eigener Utopien zum Thema “Wie kann ein guter Ort zum Ankommen aussehen, der die Bedürfnisse der Ankommenden sowie derjenigen, die bereits da sind, berücksichtigt
- Projektdokumentation einer Durchführung mit jungen Migrant*innen
- Projektdokumentation eines Familienworkshops
Stimmen aus dem Workshop
“Am Anfang, als wir die Videos schauten, war es cool. Als wir dann unsere eigene Welt erstellt haben, war das noch cooler. Am coolsten war, als wir unsere eigene Welt in der VR-Brille anschauen konnten”.
“Der Workshop war gut, weil wir unsere eigene Welt erstellen konnten und unsere eigenen Ideen darin umsetzen konnten.”
“Auch ich wollte mich noch einmal bedanken! Es war wirklich toll, auch die Kids waren begeistert und finden, so sollte Schule sein.” (Stimme der begleitenden Lehrerin)“
“Als ich die VR-Brille aufsetzen durfte, hat sich meine Welt so echt angefühlt. Erst als ich die Brille abgesetzt habe, habe ich wieder mitbekommen, dass die echte Welt ganz anders ist. Das hat mich nochmal zum Nachdenken gebracht.”
Nutzung der Methode zur partizipativen Sozialraumgestaltung
- Projektdokumentation (inkl. der gebauten VR-Spaces)
In einem Berliner Projekt nutzten wir die Methode zur partizipativen Gestaltung von Sozialräumen. Jugendliche aus Spandau bauten ihre Lieblingsorte in Miniatur nach, erstellten 360°-Fotos und bearbeiteten diese in Co-Spaces weiter. Ihre Ideen präsentierten sie im Rathaus, wo zugesagt wurde, mit einigen der Vorschläge weiterzuarbeiten. Besonders war, dass viele Teilnehmende Migrationsbiografien hatten und deren Perspektiven wenig Eingang in formale Jugendbeteiligungsprozesse wie z.B. Jugendbeiräten finden. Deshalb müssen informelle Beteiligungsprozesse wie die vorgestellte Methode stärker strukturell genutzt und eingebunden werden, um mehr Perspektiven in der Gestaltung von Zukünften sichtbar zu machen. Die Methode eignet sich hervorragend für informelle Beteiligungsprozesse in der Stadt- und Sozialraumgestaltung, da sie von viel Kreativität und hohen Selbstwirksamkeitserfahrungen geprägt sind. Je nach Fragestellung lässt sie sich zur Entwicklung von ganz konkreten Vorhaben im Kiez einsetzen sowie auch in größeren thematischen Kontexten, um neue Ideen für unser Zusammenleben zu entwickeln
Die Methode ist auch sehr gut geeignet, um unterschiedliche Sichtweisen in den Austausch zu bringen, weil man über VR in unterschiedliche Welten “eintauchen” kann. Auch ist Kooperation von Menschen mit unterschiedlichen Ansichten gut möglich, da die VR-Welten Platz für unterschiedliche Ideen im gleichen Raum bieten und mehr als eine Perspektive gezeigt werden können.
Einbindung marginalisierter Zielgruppen
Im Sommer 2023 führten wir ein Beteiligungsprojekt mit Gruppen unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter durch und setzten die beschriebene Methode ein, um mit den Jugendlichen über ihre Träume und Wünsche an das neue Zuhause zu kommen. Die Ansprache und Einbindung der Jugendlichen funktionierte ausschließlich mittels Sozialarbeiter*innen und über die Einrichtungen oder Stadtteilkoordinationen, die überwiegend dankbar für die Angebote waren, insbesondere wenn sie kostenlos sind.
Zwei Teamende und ein Sozialarbeiter reflektieren ihre Erfahrungen in zwei Audiobeiträgen.
Sprachbarrieren waren eine große Herausforderung und die Übersetzung in teilweise drei weitere Sprachen hat viel Zeit in Anspruch genommen. Gleichzeitig war es aber auch eine gemeinsame Gesamtanstrengung und -leistung. Der kreative Zugang und die Möglichkeit, mit Technologien zu arbeiten, hat bei dieser Zielgruppe besonders gut funktioniert. Der Sozialarbeiter berichtete, dass einige der Jungs im Anschluss an das Projekt häufiger erwähnten, dass sie sich gerne weiter mit den eingesetzten Technologien beschäftigen möchten.
Einige der Projektergebnisse wurden in TikTok Videos aufgearbeitet, wie hier zu sehen (Video 4-6).
Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation
Die Methode trägt zur sozial-ökologischen Transformation bei, wenn sie die Ergebnisse und damit junge und marginalisierte Stimmen in formale Beteiligungsprozesse integriert und die Ergebnisse ernst nimmt. Empowerment und Selbstwirksamkeit, insbesondere durch die Vermittlung digitaler Fähigkeiten wie das Erstellen von 360°-Fotos und VR-Räumen sowie die Anerkennung der kreativen Leistung sind dabei zentral. Die Methode ermöglicht kreative Aushandlungen wichtiger sozialer und ökologischer Themen und die konkrete Gestaltung eigener Utopien. Diese individuellen Zugänge sind wichtig für die Sichtbarkeit diverser Perspektiven und fördern Empathie durch immersive Erfahrungen in digitalen Experimentierräumen.
Weiterentwicklung und Verstetigung
Die Methode inklusive der Anwendungsbeispiele und Weiterentwicklungen ist als offene Bildungsressource auf verschiedenen OER-Portalen veröffentlicht, was bedeutet, dass jede Bildungseinrichtung diese Methode nachnutzen und anpassen darf. Offene Bildungsressourcen sind ein wichtiger Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit, denn eine sozial-ökologische Transformation muss auch Bildungsgerechtigkeit miteinschließen.
Mediale pfade baut seit 2024 ein Medienkompetenzzentrum in Berlin Lichtenberg auf und plant, die Methode für digitale Kinder- und Jugendbeteiligung in Lichtenberg einzusetzen. Da das Medienkompetenzzentrum auch ein MakeSpace für nachhaltige Entwicklung ist, ist unsere immersive Methode Teil eines größeren Methodenmixes für die sozial-ökologische Transformation und nachhaltige Entwicklung im Kiez.
Methodenentwicklung/Anpassungen
- Katrin Hünemörder (Archiv der Flucht) katrin.huenemoerder@medialepfade.org
- Dr. Christine Kolbe (Cities for future) Christine.kolbe@medialepfade.org
- Serkan Ünsal (Partnerschaften für Demokratie Spandau) serkan.uensal@medialepfade.org
- Manuela Müller (participation.challenge) manuela.mueller@medialepfade.org
Methode: Youtube-Party
Materialien:
Computer oder anderes internetfähiges Gerät und möglichst großer Bildschirm, Internetzugang, Lautsprecher
Methodenkurzbeschreibung:
Bei der Youtube-Party laden wir alle Mitglieder der Gruppe ein, reihum ihre Lieblingskurzvideos von TikTok und Youtube zu präsentieren. Das kann eigener Content sein, aber auch Material sein, was sie selbst ansprechend finden.
Jugendliche können dadurch nach Belieben mit ihren Eigenkreationen in den Fokus rücken und ihre persönlichen Interessen mit den Teamer*innen und ihren Peers teilen. Die Methode eignet sich auch zum gemeinsamen Brainstormen, wenn Ideen für eigene Social Media-Beiträge gesammelt werden.
In einem zweiten Schritt kann die Methode auch zur Anregung genutzt werden, gemeinsam in Aktion zu treten und Videos nachzuspielen oder zu tanzen. Dabei können aktuelle TikTok-Trends aufgegriffen werden, aber z.B. auch traditionelle Tänze aus unterschiedlichen Kulturen eingebracht werden.
Fallstricke:
Auch wenn Musik bei dieser Methode grundsätzlich ein verbindendes Element sein kann, gibt es gerade in Musiktexten teils problematische, diskriminierende Inhalte, die je nach Sprachbarriere nicht richtig aufgelöst werden können. Um einer einseitigen Präsenz wie etwa von sexistischen Texten vorzugreifen, ist es denkbar, dass die Teamer*innen vorab Alternativbeispiele in den jeweiligen Sprachen recherchieren und ebenfalls zeigen. Wer die Gruppe diesbezüglich nicht richtig einschätzen, kann auch auf rein instrumentale Musik bestehen und den Schwerpunkt auf Tanz, Bewegung und Schauspiel legen.
Methode: Zeig mir deinen Lieblingsort
Materialien:
Computer oder anderes internetfähiges Gerät und möglichst großer Bildschirm, Internetzugang, bei Bedarf auch Landkarte
Methodenkurzbeschreibung:
Bei dieser Methode können die einzelnen Teilnehmer*innen sich gegenseitig Orte zeigen, die ihnen wichtig sind. Dafür wird der Name des Ortes bei „Googlemaps“ angegeben und die Suche liefert einem nicht nur den Standort, sondern auch mehrere Bilder der meisten Orte gleich mit. In unserem Projekt lautet die Aufforderung „Zeige mir deinen Lieblingsort in Berlin“ und die Jugendlichen haben die Möglichkeit ihren Lieblingsort auch auf einer physischen Karte von Berlin zu suchen und einzuzeichnen. Dadurch können Wohnorte und Regionen gemeinsam digital erkundet werden. Die Methode kann sich aber nicht nur hierfür, sondern auch für verschiedene andere Szenarien eignen: es können Sehnsuchtsorte abgefragt werden, zu denen man gerne verreisen möchte und die man den anderen gerne vorstellen möchte. Auch kann die Methode einen Raum schaffen, in dem die Teilnehmenden über ihre Herkunft sprechen und ihre Herkunftsländer und Heimatorte präsentieren. Außerdem kann sie Anlass bieten, sich darüber auszutauschen, welche Orte in der eigenen Umgebung den Bedürfnissen von Jugendlichen gerecht werden und auch dazu, was ihnen an anderen Orten fehlt.
Fallstricke:
Den Raum für ein Gespräch zu Herkunft zu öffnen, kann bereichernd sein, birgt aber auch die Gefahr, dass insbesondere Personen mit Fluchterfahrung und Traumatisierungen an dieser Stelle getriggert werden. Teamer*innen sollten für den. Umgang damit qualifiziert sein und unbedingt einen Safe Space ermöglichen, in dem emotionale Reaktionen aufgefangen werden können. Wenn diese Vorbedingungen nicht gegeben sind, sind eher Sozialraumbezüge wie der in unserem Beispiel sinnvoll.